1/2 Informationsarchitektur
Wer sich schon einmal mit UX-Design beschäftigt hat, stolpert früher oder später auch über den Begriff “IA”.
“IA” steht für “information architecture” (dt. Informationsarchitektur).
IA bezeichnet den Prozess, komplexe Informationen auf eine klare und logische Weise zu organisieren und zu sortieren.
Die digitale Welt braucht unbedingt gute Informationsarchitekten, weil es wichtiger denn je ist, dass jede Organisation, die mit Daten arbeitet, vorausschauend und sorgfältig plant und sicherstellt, dass sich ihre Inhalte nicht in ein unlogisches, widerspenstiges Ungetüm verwandelt.
Als Verbraucher sind wir daran gewöhnt, genau das zu finden, wonach wir akut suchen und es genau dort zu finden, wo wir es am ehesten erwarten. Wenn wir als User Inhalte leicht finden, ist das in der Regel kein Zufall. Es ist oft das Ergebnis umfangreicher Nutzerforschung und -tests. Und was passiert, wenn wir es nicht direkt finden? Dann geben wir innerhalb weniger Sekunden auf und gehen weiter.
Kurz gesagt: Wir haben als User wenig Geduld, wenn es um schlechte Benutzererfahrung geht.
Infolge dieser hohen Ansprüche von Usern ist Perfektion zu einem Standard geworden, um in der wettbewerbsorientierten technischen Umgebung zu überleben. Die Aufgabe eines Informationsarchitekten besteht darin, diesen Wettbewerbsvorteil zu sichern, indem er dafür sorgt, dass die Dinge dort sind, wo sie sein sollten.
Was ist Informationsarchitektur?
Jared Spool, berühmter US-amerikanischer UX-Designer, sagte einmal: "Gutes Design wird unsichtbar. Nur wenn es schlecht gemacht ist, fällt es uns auf."
Das Gleiche gilt für Informationsarchitektur. Wenn alle Daten in einer Ordnung sind, wird diese Ordnung unsichtbar. Für diese “Ordnung” gibt es allerdings keine allgemeingültige Definition oder gar eine Anleitung, auf die sich Expert*innen einigen können.
Die Geschichte der IA geht bis ins alte Ägypten zurück. Die Bibliothekare in der Bibliothek von Alexandria listeten den Inhalt der Bibliothek in einer Bibliographie mit 120 Rollen auf. Das Prinzip ist dasselbe, nur nannte man es nicht Informationsarchitektur, sondern war einfach logisch.
8 Prinzipien der Informationsarchitektur
Der Aufbau der Informationsarchitektur für eine Website sollte nicht im luftleeren Raum erfolgen. Vom Nutzerverhalten bis zur Zukunftssicherheit gibt es viele Dinge zu berücksichtigen, die über die logische Anordnung der Informationen hinausgehen. In seinem Bestreben eine gute Website-Struktur zu entwerfen, hat der Informationsarchitekt Dan Brown 8 Prinzipien aufgestellt, auf die er immer wieder zurückkommt.
Diese Prinzipien beruhen auf der Annahme, dass der Fokus des Architekten rein auf der Struktur der Daten liegen sollte - etwas, das mit Karten und Flussdiagrammen dargestellt werden kann.
Um dies zu erreichen sollte der Architekt ein gutes Verständnis der Funktionalität der Website erlangen und auch eine vollständige Bestandsaufnahme des Inhalts vornehmen. Sobald diese Anforderungen erfüllt sind, kann der Informationsarchitekt mit der Optimierung der IA unter Anwendung dieser 8 Prinzipien beginnen:
Das Prinzip der Objekte: Inhalte sollten wie lebende, atmende Objekte behandelt werden. Sie haben Lebenszyklen, Verhaltensweisen und Attribute.
Das Prinzip der Auswahlmöglichkeiten: Weniger ist mehr. Beschränke die Anzahl der Auswahlmöglichkeiten auf ein Minimum.
Das Prinzip der Offenlegung: Zeige eine Vorschau von Informationen, die den Usern helfen zu verstehen, welche Art von Informationen versteckt ist, wenn sie tiefer graben.
Das Prinzip der Exemplare: Zeige Beispiele für den Inhalt, der sich in den Kategorien und Gruppierungen einer Anwendung finden lässt.
Das Prinzip der Vordertüren: Gehe davon aus, dass mindestens 50 % der User einen anderen Einstiegspunkt als die Home-Seite verwenden werden.
Das Prinzip der Mehrfachklassifizierungen: Biete den Usern mehrere unterschiedliche Optionen an, um den Inhalt der Website zu durchsuchen.
Das Prinzip der fokussierten Navigation: Halte die Navigation einfach und vermische niemals verschiedene Pfade.
Das Prinzip des Wachstums: Gehe davon aus, dass der Inhalt der Website wachsen wird. Stelle sicher, dass die Website skalierbar und erweiterbar ist.
Je nach Größe einer Website kann die interne Kommunikation eine komplexe Aufgabe sein, die ständige Pflege erfordert.
Was ist der Mehrwert von IA?
Angesichts der Tatsache, dass sowohl Facebook als auch Google Websites mit minderwertigen Inhalten blockieren, ist es umso wichtiger, dass wir Inhalte produzieren, die für die User wertvoll sind. Die wertvollsten Inhalte werden jedoch nicht entdeckt, wenn die Informationsarchitektur schlecht ist, was sowohl für den User als auch für das Unternehmen eine schlechte Nachricht ist.
Mehrwert für User
Wir leben in einer Welt, in der Menschen sofortige Befriedigung wollen. In Verbindung mit einem Überangebot an Informationen und Auswahlmöglichkeiten bedeutet dies, dass man die richtigen Inhalte zur richtigen Zeit bereitstellen muss. Wenn der Prozess der Informationssuche zu kompliziert oder zu langsam ist, wird der User den Prozess einfach abbrechen und weiterziehen.
Hierbei kann man unter vier Haupttypen von Bedürfnissen unterscheiden:
Suche nach bekannten Objekten: User kommen auf die Website, um nach etwas Wünschenswertem und Bekanntem zu suchen.
Exploratives Suchen: User kommen auf die Website, um sich inspirieren zu lassen. Sie suchen nach etwas Wünschenswertem, sind sich aber nicht sicher, was genau.
Ausführliche Recherche: User befinden sich in einem Prozess der umfassenden Recherche. Sie wollen so viele Informationen wie möglich finden.
Wiederfinden: User brauchen einen gewünschten Artikel erneut und versuchen, ihn zu finden.
Wenn es darum geht, die IA eines digitalen Produktes aufzubauen ist es wichtig, diese 4 Bedürfnistypen individuell zufrieden zu stellen.
Denke beispielswiese an eine E-Commerce-Website. Wenn Du auf der Suche nach neuen Schuhen für eine Hochzeit bist, möchtest Du vielleicht nach Stil und Farbe filtern. Wenn Du aber ein Geschenk suchst, möchtest Du vielleicht ein paar ausgewählte Geschenkideen sehen. Wenn Du genau weisst, was Du willst, möchtest Du die Möglichkeit haben, es schnell zu finden, ohne intensiv suchen zu müssen.
Eine gute Informationsarchitektur hat einen großen Einfluss auf das Nutzererlebnis. Je schneller die User an ihr Ziel gelangen, selbst wenn dieses Ziel mehrere Optionen umfasst, desto größer ist ihre Zufriedenheit.
Mehrwert für Unternehmen
Wenn User wichtige Informationen nicht finden oder die wichtigsten Aufgaben nicht ausführen können, können Unternehmen in vielerlei Hinsicht verlieren. IA kann in den folgenden Bereichen eine entscheidende Rolle spielen:
Produktivität der Mitarbeiter:
Eine schlechte IA für interne Inhalte kann zu Zeitverschwendung und geringerer Produktivität führen. Im Jahr 1999 führte die International Data Corporation (IDC) eine Untersuchung über wissenschaftliche Mitarbeiter * innen durch, um die finanziellen Kosten zu ermitteln, die dadurch entstehen. Dabei wurde unter anderem untersucht, wie viel Zeit die Mitarbeiter pro Woche mit der Suche nach Informationen verbringen und wie viel Zeit sie mit der Erstellung bereits vorhandener Inhalte verbringen, weil sie diese nicht finden konnten. Sie schätzten die Kosten dieses "Wissensdefizits" auf 5000 Dollar pro Arbeitgeber und Jahr.
Umsatz und Ruf:
Geschäftseinbußen sind eine der offensichtlichsten Folgen einer schlechten kundenorientierten IA. Wenn Benutzer die gewünschten Produkte nicht finden können, gehen die Umsätze zurück, und die Auswirkungen können langanhaltend sein. Wenn Menschen eine Website (oder ein Geschäft) verlassen, ist es schwieriger, sie wieder zurückzuholen. In der Regel finden sie einen Konkurrenten, der ihr Problem löst (z. B. ein gewünschtes Produkt anbietet), ohne dass sie sich die Mühe machen müssen. Und da so viele Verkäufe immer noch auf Mundpropaganda beruhen, insbesondere im Dienstleistungssektor, kann dies einen Dominoeffekt haben und sich auf das gesamte Netz potenzieller Kunden auswirken.
Akquirieren neuer Mitglieder und Kunden:
Je nach Geschäftsmodell könnte die Gewinnung neuer Mitglieder eines der Hauptziele sein. In diesem Fall sollten die Anmeldeseiten - und der Weg dorthin - mit Hilfe von UX-Forschung sorgfältig ausgearbeitet werden. Wenn es zu kompliziert ist, werden User früh abspringen, sich nicht anmelden oder keine persönlichen Daten angeben. Das bedeutet, dass Du Schwierigkeiten haben wirst, Gewinne zu erwirtschaften bzw. langfristige und persönliche Beziehungen zu Usern aufzubauen.
Reduzierung der Marketing-Kosten:
Wenn User die gewünschten Informationen, Produkte oder Dienstleistungen nicht finden können, steigen die Marketingkosten in die Höhe, um gleichen Ergebnisse zu erzielen. Wenn Du bezahlten Traffic auf eine Seite leitest, sollte es für die User einfach sein, von dieser Seite zu dem gewünschten Ziel navigiert zu werden. Wenn die Besucher die Seite verlassen, bevor sie die gewünschte Aktion ausgeführt haben, musst Du unter Umständen viel Geld für Remarketing ausgeben - also für den Versuch, User zurückzugewinnen! Außerdem kann eine schlechte Website-Struktur zu weniger organischem Verkehr führen, da die Seite in den Suchergebnissen schlechter platziert wird.
Reputation und SEO-Ranking:
IA hat einen großen Einfluss auf SEO. Die Organisation der Daten und Inhalte einer Website wirkt sich auf die Benutzerfreundlichkeit, die Konversionen und das Ranking aus. Wenn Du sich wiederholende Inhalte oder große Mengen an schlecht definierten Inhalten einpflegst, kann sich das negativ auf Deine Suchmaschinenoptimierung auswirken.
Senkung der Kosten für Live-Hilfe und Support:
Wenn die Informationsarchitektur es den Usern leicht macht, das zu finden, wonach sie suchen, werden die Kosten für die Live-Hilfe deutlich sinken und damit auch der Bedarf an schriftlicher Kommunikation.