Schubladendenken
Seit Längerem tue ich mich damit schwer, wenn man mich oder meine Branche als kreativ bezeichnet. Dabei liegt es nicht an der Definition von Kreativität. Was mich stört ist der „Kreativitäts-Stempel“, den Designer aufgedrückt bekommen.
Es wirkt fast so, als gäbe es die Annahme, die Arbeitsergebnisse eines Designers entständen nicht durch Fleiß, Können oder Erfahrung, sondern durch Kreativität.
Aber was genau soll das bedeuten? Etwa, dass man lediglich die Befähigung kreativ zu sein braucht, um ein Designer zu sein und die Arbeit erledigt sich quasi von allein?
Das Eine hat nicht unmittelbar mit dem Anderen zu tun.
Meiner Meinung nach ist es beinahe despektierlich, die Arbeit eines Designers als kreativ zu bezeichnen. Das Ergebnis seiner Arbeit beruht auf jahrelanger Erfahrung, Ausbildung, Studium, etc., aber nicht auf Kreativität.
Design ist ein Handwerk
In der Beziehung widersprechen mir sicher viele Designer. Ich beziehe mich dabei insbesondere auf User-Experience- und Interface-Design. Doch diejenigen, die gut in dem sind, was sie ausüben, sind für mich in erster Linie keine Kreativen, sondern Menschen mit Hingabe und Erfahrung. Sie lösen einzelne Aufgaben mit Kreativität, ihre Arbeit basiert aber auf dem Handwerk, das sie gelernt haben.
Methoden führen zu gutem Design
Ein guter Designprozess orientiert sich an etablierten Methoden und ist teils sehr analytisch. Doch leider ist Design in der Wahrnehmung vieler Menschen etwas ausschließlich Visuelles. Dass ein Großteil der Vorarbeit aus Recherche, Verstehen, Sortieren, Abwägen und Evaluieren besteht – lange bevor ein visuelles Ergebnis entsteht - wissen die Wenigsten.
Wurde diese Vorarbeit geleistet, ist der letzte Schritt selten der kreative Erguss eines Designers, sondern eine logische Konsequenz. Je weniger logisch diese Konsequenzen sind, umso schlechter ist das Design.
Beim Bau eines Hauses ist es nicht anders: Wenn kein gut durchdachter Plan existiert, hat man vielleicht ein hübsches Haus, aber eine Menge Baumängel.
Nur die Spitze des Eisbergs
Das visuelle Ergebnis eines Designprozesses ist nur ein kleiner Teil der Arbeit, die ein Designer geleistet hat. Das Ergebnis als kreativ zu bezeichnen, wird dem zugrundeliegenden Prozess nicht gerecht und sicherlich niemand würde die User Flows oder Wireframes, die in diesem Prozess entstanden sind, als kreativ bezeichnen.
Willst du die Arbeit eines Designers würdigen, dann sag ihm, dass er seine Arbeit gut gemacht hat - oder sehr gut oder sogar hervorragend. Aber spart euch das mit der Kreativität.